Franz und Christopher Buchecker kochen Wiener Küche mit hinreißender Selbstverständlichkeit
Für Familie Buchecker war es eine ziemliche Katastrophe, als ein eifriges Organ des magistratischen Bezirksamtes in der Wipplingerstraße einzelne, von einem lange vergangenen Pächter getätigte Umbauten in ihrem Gasthaus beim Mittersteig auf einmal so beanstandete, dass eine neue Betriebsanlagengenehmigung fällig gewesen wäre.
Für den Fresskritiker war es hingegen ein Glück: Die Verpflichtung zur Neuigkeit gilt beim STANDARD schließlich auch für Wirtshausbesprechungen. Und weil Franz Buchecker und sein Sohn Christopher lieber an neuer Stelle wieder aufsperrten, als sich mit anderer Leute Umbauten herumzuschlagen, lässt sich ihre Küche endlich auch hier gebührend würdigen.
Und nicht irgendwo: Die Bucheckers haben sich das Gußhaus gezwickt, in dem zuvor Christian Petz wirkte. Der Raucherbereich ist seitdem in ein entlegenes Hinterzimmer verlegt, ein Schanigarten mit 28 Sitzplätzen genehmigt (uff!), hintaus ist noch ein winziger Patio dazugekommen.
Das eigentlich Wichtige ist aber die unreformierte Wiener Küche, die Vater und Sohn vorlegen und von den beiden Ehefrauen mit routiniertem Charme zum Tisch gebracht wird. Dass eine wirklich große, urtypische Wirtshauskarte in durchgängig herausragender Qualität auch heute noch rausgekocht werden kann, lässt sich in der Stadt sonst nirgends mehr erleben – die Bucheckers aber machen es, als ob es das Normalste wäre.
Der Suppentopf, eine Zaubertrankschüssel, in der Grießnockerln, Leberknödel, Frittaten (selbstredend alles hausgemacht und wunderbar) in einer kraftstrotzenden Rindsuppe mit reichlich Fleisch und Wurzelgemüse schwimmen, kann als Sinnbild dafür herhalten. Wer sie bestellt, wird ob ihrer Größe aber um viele Herrlichkeiten umfallen, zumindest bis zum nächsten Besuch.
Die Innereien-Tapas für zwei Personen zum Beispiel, ein gastronomischer Irrwitz mit gebackenem Kalbskopf, gebackenem Bries und gebackenem Kalbshirn, dazu noch Hirn mit Ei und geröstete Leber in Extraschüsserln (siehe Bild), ist konzentrierte Wiener Küchenherrlichkeit: Das Gebackene außen resch und innen auf jeweils eigene Art cremig, mit frittierter Petersilie und Sauce tartare garniert, von vielfältig perfider Köstlichkeit; die Leber in dunklem und doch leichtfüßigem Saftl, die geschmorten Zwiebeln mit lebendiger Säure unterfüttert, die Leber ein zarter Hauch; schließlich Hirn mit Ei, wahrscheinlich das Beste von allem, locker, saftig, zwiebelsüß lebendig – kann man kaum besser machen.
Aber auch sonst wird Innereien, wie es sich in Wien gehört, viel Platz geboten. Prager Kuttelflecksuppe zum Beispiel, dicht, dick, mit Raffinement gewürzte, erweckt Gaumentote zu neuem Sinn. Oder Wurzelzüngerl vom Wollschwein, Kalbsrahmherz, denkwürdig herrliche, in Schmalz gebackene Blunzen mit Kren, Kalbsbeuschel oder gebackenes Bries – hier darf gut sein, wovor die Masse sich mit Grausen wendet.
Verschlagen gut
Schnitzel, wahlweise vom Kalb oder Schwein oder, geradezu verschlagen gut, als saftstrotzende Fledermaus vom Schweinsschlögel, wird nach Wunsch in Butter-, Schweineschmalz oder Öl herausgebacken und reiht sich unter den besten Schnitzeln der Stadt ganz weit vorn ein – einzig der Erdäpfelsalat ist sehr klebrig abgeschmeckt, eine kleine, aber gewichtige Sünde.
Löffelweichen Esterhazy-Rindsbraten mit einem Berg Butterhörnchen gibt es ebenso wie Biobackhendl von souveräner Saftigkeit oder ein ideal saftiges Kalbsgulasch mit ausnehmend guten Nockerln. Und der in Butter gebratene Toast mit Beinschinken und Emmentaler samt hausgemachten Chips? Ist als Katerfrühstück vorgemerkt. (Severin Corti, RONDO, 22.3.2019)
Gasthaus Buchecker & Sohn
Gußhausstraße 23
1040 Wien
Tel.: 01/929 5674
Mo-Sa 11-23 Uhr
VS 2,90-18 Euro, HS 8,90-23,50 Euro
Fotos: Gerhard Wasserbauer
Weiterlesen:
Google-Map: Restaurantkritiken in Wien & Umgebung
Anna Burkhard, Die Presse 19.3.2019
Bucheckers Innereienschwerpunkt im Gußhaus
Die Wirtsfamilie Buchecker ist in Christian Petz‘ Gußhaus gezogen. Und bewahrt hier die Altwiener Küche – mit Innereien wie Prager Kuttelfleck und Hirn mit Ei, aber auch mit Böhmischen Palatschinken.
„Man kann sich sein Publikum schon auch aussuchen“, findet Franz Buchecker, Wirt seit Ewigkeiten. „Wenn jemand hereinkommt und fragt: ,Haben Sie nichts Vegetarisches?‘, sag ich: ,Sie sind im falschen Lokal.‘“ Die Marschrichtung des Gasthauses Buchecker & Sohn ist klar: altösterreichische Küche mit Innereienschwerpunkt. An Fleischlosem gibt es wenig mehr als Krautfleckerln.
Schon am alten Standort in der Leibenfrostgasse im Vierten kochte man (sieben Tage die Woche!) Böhmische Palatschinken, Prager Kuttelfleck, Wurzelzunge und Esterházy-Rostbraten mit Hörnchen. Aber erst seit die Familie Buchecker mit Anfang März eine bekannte Adresse besetzt, die Ex-Wirkungsstätte von Christian Petz in der Gußhausstraße bei der TU, erhalten solche selten gewordene Spezialitäten die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
„Es dauert ein bisschen, wir machen alles frisch“, informiert im krachend vollen Lokal zur Mittagszeit die Wirtin, Karin Fischer. Auf der Rechnung wird später stehen: „Kellner: Chef“. Ihr Mann, Franz Buchecker, ist der Seniorchef des Gasthauses und Ausbildner seines Sohnes Christopher, mit dem er sich hier die Küchenverantwortung teilt. „Christopher war mein letzter Lehrling, noch in Simmering damals.“ Wo man auch schon ein Gasthaus unter eigenem Namen führte. Auch das Reznicek im neunten Bezirk gehörte zu den Stationen des Urwirten, der die Wiener Küche beherrscht wie nur mehr wenige. Einer, der auch weiß, wie es geht, ist ausgerechnet ein Inder: Herr Singh ist seit dreizehn Jahren an Bucheckers Seite. Ursprünglich Zeitungsausträger, lernte er bei diesem, wie man geröstete Nierndln, Fledermaus und Ochsenschlepp kocht. „Als ich ihn einmal gebeten habe, uns etwas Indisches zu kochen, hat er gesagt: ,Geht nicht, ich kann nur Wiener Küche!‘“ Vater und Sohn Buchecker plus Herr Singh – weitere Köche gibt es hier nicht. „Je mehr Leute in der Küche stehen, desto langsamer geht das Ganze.“
Herz des Gasthauses ist der Stammtisch neben der Schank, darüber hängen passenderweise Plakate mit Helmut Qualtinger und einem illustrierten Wiener-Festwochen-Hirn. Rund vierzig Leute zählen zur losen Truppe, die sich hier prinzipiell einfindet, natürlich nicht alle gleichzeitig. „Den Stammtisch kann man nicht reservieren.“ Es sei eine fast verloren gegangene Kultur, meint Franz Buchecker: „Früher ist man ja nicht nur zum Essen ins Wirtshaus gegangen. Man hat gewusst, am Stammtisch ist jemand, den man kennt, mit dem man reden kann.“ Die Wirtsfamilie kennt die Stammtischgäste mit Namen, „wir wissen, wer sein Schnitzel dunkel oder stark gesalzen will und was er ins Glas will“. Ja, man sei als Wirt schon auch Seelentröster, sagt Franz Buchecker. Und man müsse Menschen mögen. „Wenn ich so herumlaufe“ – seine Hände formen Scheuklappen –, „wird das nichts.“
Innereientrend
Als einer, der schon sehr lang im Geschäft ist, ist er Zeuge diverser Änderungen in der Gastronomie: „Am anstrengendsten ist heute die Bürokratie. Da hat sich wahnsinnig viel geändert. Die Gesetze sind ja gemacht für Großkonzerne, die jemand eigenen fürs Listenschreiben angestellt haben.“ Auch Sohn Christopher weiß von Entwicklungen zu berichten: „Noch vor zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein 21-Jähriger gebackenes Hirn bestellt. Heute wollen sie es reihenweise.“ Das Verarbeiten des ganzen Tiers, auch gern Nose-to-Tail genannt, werde mittlerweile von jungen Leuten geradezu gefordert, meint der Juniorchef.
Für all diese ist das Gasthaus Buchecker eine Fundgrube: Der Dienstag wird, als Reverenz an die Tradition, als Schlachttag beworben. Von Leber über Bries, Kalbskopf, Schweinsfuß bis hin zum Hirn wird kaum etwas ausgelassen. Innereien sind denn auch ein wichtiges Thema der „Wiener Tapas“-Karte, mit der man erst am neuen Standort begonnen hat. Nachhaltigkeit lebt man auch bei den drei täglich wechselnden Mittagsmenüs vor: Sie gibt es, bis sie aus sind. „Ich wundere mich immer, wenn Wirte schreiben, Mittagsmenü bis 14.30 Uhr“, sagt Franz Buchecker. „Was machen die denn dann mit siebzehn Portionen Paprikahendl? Wegwerfen?“
AUF EINEN BLICK
Die Familie Buchecker ist aus der Leibenfrostgasse in die Gußhausstraße übersiedelt. Vater Franz und Sohn Christopher teilen sich die Verantwortung in der Küche. Im Service: Karin Fischer. Am alten Standort hatte man sieben Tage pro Woche geöffnet, nun ruht man sich sonntags aus. Auf der Karte stehen zahlreiche fast vergessene Altwiener Klassiker, etwa Böhmische Palatschinken und Hirn mit Ei.
Buchecker & Sohn im Gußhaus, Gußhausstraße 23, 1040 Wien, Mo–Sa: 10.30–24 Uhr, Küche: 11–23 Uhr. Tel.: 01/929 56 74.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.03.2019)
Florian Holzers Restauranttest: Buchecker & Sohn
Hier bleibt man seiner Linie treu: hundertprozentig Wiener Küche mit einem gewissen Hang zu Innereien-Spezialitäten.
Buchecker & Sohn im Gußhaus,
Wien 4, Gußhausstr. 23,
Tel: 01/929 56 74,
Mo-Sa 10.30-24
Bewertung:
Küche: 27 von 35
Keller: 6 von 10
Service: 14 vvon 15
Atmosphäre: 13 von 15
Preis/Wert: 16 von 20
Familie: 3 von 5
Gesamt: 79 von 100
Wird 2019 kulinarisch ähnlich eindrucksvoll wie 2018? Schwer zu sagen, aber schon jetzt sind einige Projekte bekannt, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen:
Eines der interessantesten Projekte gleich zu Beginn des Jahres: Alex Mayer, einer der besten Köche Wiens, wird ab Jänner eine Gourmet-Greißlerei mit feinen Tapas, Delikatessen und fallweisen Koch-Sessions leiten.
Wien 1, Jasomirgottstr. 7,
ab Jänner
2., BUCHECKER & SOHN IM GUSSHAUS
Das Ende vom „Petz im Gußhaus“ war ein großer Verlust, ab März herrscht allerdings wieder Leben im Lokal: Franz Buchecker und Sohn Christoph, Meister der ur-wienerischen Küche, übernehmen.
Wien 4, Gußhausstr. 23,
ab März
3., DAS BOOTSHAUS
Eigentlich hätte das „Bootshaus“ der Cafetier-Familie Querfeld schon 2018 eröffnen sollen. Anfang Dezember fand endlich der Spatenstich statt, ab Frühling wird gekocht – keine Spareribs.
Wien 22, An der Unteren Alten Donau 61,
ab Frühling,
www.dasbootshaus.at
4., THE LALA
Das Projekt „Veganista Ice Cream“ der Schwestern Cäcilia Havmöller und Susanna Paller ist der absolute Erfolg, jetzt kommt auch noch ein Restaurant nach Vorbild der hippen Veggie-Lokale Kaliforniens dazu.
Wien 7, Neustiftg. 23,
ab Frühling,
www.the-lala.com
5., STÖCKL ZU BELVEDERE
Auch das Stöckl zu Belvedere hätte schon längst starten sollen, Anrainer-Proteste verzögerten das Mega-Bierlokal mit riesigem Gastgarten am Rande des Belvedereparks allerdings.
Wien 4, Prinz Eugen-Str. 25,
wahrscheinlich ab September,
www.stoecklimpark.at
Salz & Pfeffer: FERDINAND
Manche Wiener Grätzeln haben’s einfach besser.
Extrawurst, Tafelspitz-Sulz und hauchdünn geschnittener Bauernpresswurst in Essig und Kürbiskernöl (herrlich und erfrischend, 9,80 €), und geht bis zum dunkel-sämigen, wunderbar mürben Rindsgulasch, das immerhin sogar vom langjährigen Besitzer der „Eisernen Zeit“ (mit einst legendärem Gulasch!) gelobt wurde (8,90 €). Die beiden Bucheckers machen ab und zu sogar noch echtes Bruckfleisch, also mit „Liachteln“ (Aorta), Bries, Herz und Blut, eine dunkel-geheimnisvolle Köstlichkeit (13,90 €), aber jetzt kommt’s: Bei allem Panierten wie Schnitzel, Cordon bleu und Alt Wiener Backfleisch kann man wählen, worin es herausgebacken werden soll, Öl, Butterschmalz oder Schmalz. Bei der Fledermaus wählten wir Schmalz und das war sehr, sehr gut (12,90 €). Im Herbst wird das Gasthaus übrigens in „Buchecker & Sohn“ umbenannt.
Max. | ||
Küche | 27 | 35 |
Keller | 6 | 10 |
Service | 13 | 15 |
Atmosphäre | 12 | 15 |
Preis/Wert | 16 | 20 |
Familie | 4 | 5 |
77 | 100 |
Ferdinand
Wien 4., Leibenfrostg. 8,
01/929 56 74,
Mo-Fr 10-22, So 9-16,